"Simone" von Anja Reich
Im Oktober 1996 erhielt Anja Reich während der Geburtstagsfeier für ihren Sohn einen Anruf von ihrer Freundin Simone. Sie sei gerade dabei, ihr Leben in Ordnung zu bringen, erklärte sie, ob Anja vielleicht vorbeikommen könne? Einen Tag später rief Simone die Journalistin noch einmal in der Redaktion an, wollte ihr die frisch renovierte Wohnung zeigen, klang gut gelaunt; die beiden verabredeten sich für die nächste Woche. Zwei Stunden später sprang Simone aus dem 10. Stock des Hauses, in dem sie wohnte. Bei ihrer Suche nach Antworten ein Vierteljahrhundert später findet sie so nicht nur eine, sondern gleich mehrere mögliche Antworten, darunter einige überraschende. Wie die Wochenkrippe, in die Simone, wie damals in der DDR üblich, als Baby von ihren berufstätigen Eltern gebracht worden war – eine Erfahrung, die, wie man heute aufgrund von Studien weiß, bei vielen Betroffenen zeitlebens zu Bindungsstörungen und Verlustängsten führte. Überhaupt war Simones Verhältnis zu ihren Über-Eltern kompliziert, scheiterte die junge Frau bis zuletzt daran, sich abzunabeln.